Neben den im 1. Teil behandelten Lügen, fallen weitere Punkte ins Auge, bei denen die Berliner Polizei und ihre politische Führung anscheinend von einer grenzelosen Gutgläubigkeit ihrer Untertanen ausgehen – anders sind diese Widersprüche nicht zu erklären.
Zweite Durchsuchung der R 94 am 17. Januar
„Unbekannte warfen aus einem Wohnungsfenster offenbar einen Müllsack auf Beamte, die im Hinterhof waren, erklärte eine Sprecherin der Polizei. In dem Sack seien auch harte Gegenstände gewesen, hieß es weiter. Verletzt wurde niemand. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Nachdem der erlassen wurde, durchsuchten Einsatzkräfte gegen 16 Uhr eine Wohnung.
Um sich Zutritt zu dem teilweise verbarrikadierten Gebäude zu verschaffen, setzten die Beamten auch eine Ramme ein. Die Angreifer waren nach Angaben eines Sprechers durch ein Loch in der Wand in eine andere Wohnung entkommen und hätten so flüchten können.“
17.01.2016, 15:15, http://www.morgenpost.de/bezirke/friedrichshain-kreuzberg/article206932999/Rigaer-Strasse-Autonome-werfen-Muellsack-auf-Polizei.html
„Gegen 13.30 Uhr fuhr die Polizei in der Rigaer Straße vor. Der Grund des Einsatzes war der gleiche wie in den vergangenen Tagen: „Gefahrenabwehr“, hieß es im Polizeipräsidium.
Nach Polizeiangaben sei es Zufall gewesen, dass die Beamten zu dieser Zeit kamen. Gegen 14.40 Uhr wurde laut Polizei aus einem Fenster in einem oberen Geschoss ein Müllsack geworfen, der neben einem Polizisten im Hof landete. Dieser wurde nicht verletzt. Der Sack wurde in einem Mannschaftswagen verstaut. Was sich darin befand, teilte die Polizei nicht mit. Mittels eines eilends herbeigeholten richterlichen Durchsuchungsbeschluss wurde ab 16 Uhr mindestens eine Wohnung in dem Haus durchsucht.“
17.01.2016, 21:01, http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-friedrichshain-polizei-rueckte-erneut-an-der-rigaer-94-an/12841470.html
„Diesmal drangen die Beamten auch in mehrere Wohnungen ein. Den Durchsuchungsbeschluss dafür hatten sie erhalten, weil BewohnerInnen kurz zuvor einen Müllsack aus dem Fenster in den Hof geworfen hatten – das wertete das Gericht als „Verdacht auf versuchte gefährliche Körperverletzung“, wie Martin Henselmann, der Anwalt der BewohnerInnen, der taz sagte. Laut Henselmann fiel der Sack rund zehn Meter von den Beamten entfernt zu Boden, es sei eine Provokation ohne Gefährdungspotenzial gewesen..“
19.01.2016, https://www.taz.de/Polizei-vs-Autonome/!5266497/
Video https://vimeo.com/152169074 https://vimeo.com/153230902
Wie es wirklich war
Eine Mülltüte, die schon vom Gewicht her nicht geeignet gewesen wäre jemand zu verletzen, wurde mit Ansage aus dem Fenster geworfen, ohne dabei auch nur in die Nähe der Polizei zu gelangen. Diese war erneut ohne jeden Anlass in den Hof der Rigaer 94 eingerückt.
Wieder wurden zahlreiche Wohnungen durchsucht, auch welche, auf die sich der Durchsuchungsbeschluss nicht bezog. Um diesen Durchsuchungsbeschluss zu erhalten, wurde dem Bereitschaftsrichter, der nicht vor Ort war, eine falsche Schilderung des Vorfalls gegeben.
Die Behauptung des Polizeisprechers, die Angreifer seien „durch ein Loch in der Wand in eine andere Wohnung entkommen und hätten so flüchten können“, lässt auf paranoide Wahnvorstellungen der eingesetzten Beamten schließen. Selbstverständlich sind auch in der Rigaer 94 keine Fluchtlöcher in den Wänden der Wohnungen.
Nazis in der Rigaer Straße
„Auch am Donnerstag kam es zu einem Zwischenfall, als ein fotografierendes Pärchen durch Linksautonome attackiert wurde.“
15.01.2016, 18:16, http://www.morgenpost.de/bezirke/friedrichshain-kreuzberg/article206928981/Linksextreme-provozieren-mit-Bild-von-brennendem-Polizeiauto.html
Wie es wirklich war
Seit Jahren zieht die Rigaer Straße, aber auch die Umgebung zwischen Frankfurter Allee und Storkower Straße, Nazis geradezu magisch an. In den Polizeiberichten sind es dann immer völlig harmlose Passanten, die von bösen Chaoten grundlos angegriffen werden. Bei diesem Vorfall fertigten die Nazis allerdings ein Video an, welches sie im Internet verbreiten, so dass sogar die Polizei inzwischen einräumen musste, dass es sich bei dem fotografierendem Pärchen um Nazis handelte.
Am 21. Februar folgte der nächste Polizeieinsatz mit der Begründung, die Interessen eines Nazis wahrnehmen zu müssen, dieses Mal mit der Erstürmung der Kneipe Abstand in der Rigaer 78.
Bereits am 12. September 2015 hatten Zivilkräfte der Polizei eine Gruppe von 40 Nazis in die Rigaer Straße zu einer Sponti eskortiert, https://linksunten.indymedia.org/en/node/153270 .
Die Nazis kamen damals von ihrem Vortreffpunkt einer geplanten Fahrt nach Hamburg. Als sie das Verbot einer dort geplanten faschistischen Großdemonstration realisierten, entschieden sich die von V-Leuten unterwanderten Nazis zur Randale in der Rigaer. Erst als klar war, dass sie dort trotz der frühen Stunde auf Widerstand stoßen, wurden sie von bereitstehenden Hundertschaften zum eigenen Schutz abtransportiert.
Durchsuchung anderer Häuser
„Einen Tag nach dem Großeinsatz in der Rigaer Straße 94 hat die Polizei auch die Nachbargebäude durchsucht. Ein Dutzend Polizisten hatte sich erst Zutritt zur Rigaer Straße 95 verschafft, danach durchsuchten sie die Hausnummer 96.
Unter anderem überprüften Beamte die Dächer der Häuser, ob dort Steine oder andere Wurfgeschosse gelagert werden. „Meines Wissens ist nichts gefunden worden“, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage.“
14.01.2016, http://www.berliner-zeitung.de/berlin/razzia-in-berlin-friedrichshain-polizisten-suchen-in-der-rigaer-strasse-nach-wurfgeschossen,10809148,33521440.html
„Die Polizei ist fest entschlossen, den Problem-Kiez Rigaer Straße zurückzuerobern: Donnerstag, um 11 Uhr, rückte eine Hundertschaft erneut an, durchsuchte vier Häuser. Eventuelle Steine-Depots auf den Dächern sollten gesichert werden, Personen wurden kontrolliert.“
14.01.2016, 18:36, http://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/nach-der-razzia-griffen-chaoten-in-der-rigaer-ein-paerchen-an
„Gegen 12.30 Uhr drangen mehrere Dutzend Beamte in die Häuser Rigaer Straße 95 und 96 ein, um auch dort die Innenhöfe und die Dächer auf gefährliche Gegenstände und Wurfgeschosse zu kontrollieren. Wie am Mittwochabend fand diese sogenannte Begehung nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz zur Gefahrenabwehr statt. Durchsuchungsbeschlüsse sind dazu nicht erforderlich, Wohnungen wurden nicht betreten.“
15.01.2016, 18:17, http://www.tagesspiegel.de/berlin/autonome-szene-in-berlin-friedrichshain-henkel-und-herrmann-streiten-ueber-die-razzia-in-der-rigaer/12830176.html
„ Am Freitag und am Sonnabend nahm die Polizei die Gegend weiter „unter Wind“, wie ein Polizeiführer sagt. Wieder wurden zahlreiche Menschen, die augenscheinlich der Szene angehören, in den Straßen überprüft und durchsucht. Auf den angrenzenden Dächern, unter anderem in der Liebigstraße, sicherten die Beamten Backsteine von demontierten Schornsteinen, Eisenstangen mit Satellitenschüsseln und marode Fensterteile. Polizeisprecher Stefan Redlich sagt: „Unsere Maßnahmen haben keine zeitliche Begrenzung. Wir machen auch weiterhin Hausbegehungen, wenn wir sie für notwendig erachten.“
17.01.2016, 22:44, http://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/rigaer-strasse-und-taeglich-gruesst-die-hundertschaft
„1. Welche Grundstücke/Häuser in – direkter – Nachbarschaft der Rigaer Straße 94 betrat die Polizei seit dem 13. Januar 2016 aus welchen jeweiligen Anlässen und auf welchen Rechtsgrundlagen jeweils?
Zu 1.: Hierüber werden in der Polizei Berlin keine Erhebungen geführt. Infolgedessen kann keine valide Auskunft darüber erteilt werden, ob und welche Grundstücke/Häuser von Einsatzkräften der Polizei Berlin betreten wurden.
2. Wurden seit dem 14. Januar 2016 in – direkter – Nachbarschaft der Rigaer Straße 94 Wohnungen betreten und oder durchsucht?
a) Wenn ja, wann, wo und warum? b) Auf welcher Rechtsgrundlage jeweils?
c) Lag bei einer Durchsuchung jeweils ein Durchsuchungsbeschluss vor?
Zu 2.: Es wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen, ergänzend ist hinzuzufügen, dass in Ermangelung elektronischer Erfassungen von Durchsuchungsmaßnahmen und Sicherstellungen in elektronischen Systemen der Polizei Berlin eine Recherche nicht möglich ist.“
Drucksache 17 / 17783, Antwort des Innensenators auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (Piraten)
https://linksunten.indymedia.org/en/system/files/data/2016/02/3044316155.pdf
Wie es wirklich ist
Polizei und Innensenator wollen, nachdem sie schon mit dem ASOG regieren um sich einer richterlichen Kontrolle ihrer Maßnahmen zu entziehen, sogar ihrem eigenen Parlament Glauben machen, dass sie zwar genau wissen, wie viele Personen sie in welchen Gefahrengebieten kontrollieren, aber dabei später nicht mehr nachprüfbar ist, ob und welche Häuser sie „begehen“ oder durchsuchen. Es ist ein typisches Anzeichen für einen Polizeistaat, wenn dieser Handlungen seiner „Sicherheitskräfte“ leugnet oder vorgibt nicht kontrollieren zu können. Wird beispielsweise eine Tür in einem Haus von der Polizei aufgebrochen, können die Bewohner_innen später keinen Schadenersatz vom Land Berlin verlangen, kann dieses doch angeblich nicht recherchieren ob in dem betreffenden Haus ein Einsatz stattgefunden hat. Und wer vermummte Personen in seinem Keller antrifft, die sich als SEK ausgeben, kann auch das nicht durch eine Nachfrage bei einer Behörde klären.
Zukünftige Einsätze
„Wir haben das Gebiet auf unserer Tagesordnung nach ganz oben gerückt. Weitere Aktionen werden in den nächsten Wochen folgen“, sagte ein leitender Polizeibeamter zu B.Z. In einem Masterplan sollen linke Gewalttäter gezielt aus dem Kiez vertrieben werden. Dazu gehört unter anderem die Räumung des Szene-Ladens M 99 in Kreuzberg, in dem sich Aktivisten aus der Rigaer mit Vermummungen eindecken. Auch Bekennerschreiben sollen dort gedruckt worden sein. Der Besitzer hat einen Räumungstitel, der nach B.Z.-Informationen noch vor Ende Februar durchgesetzt werden soll.
Die Ermittler hoffen dabei auch auf die Verdrängung der Autonomen aus den Kiezen durch steigende Mieten. Und so in Verbindung mit Druck „ein Klima zu schaffen, in dem die Linken von alleine gehen“, heißt es aus Polizeikreisen. Präsenz, Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen sollen massiv zunehmen. „Wir werden denen keinen Freiraum lassen, denn wenn sie den haben, greifen sie zu extremer Gewalt,“ sagt der leitende Polizeibeamte.“
14.01.2016, 18:36, http://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/nach-der-razzia-griffen-chaoten-in-der-rigaer-ein-paerchen-an
„Der Staat droht, das illegale Problemhaus Rigaer Straße 94 schon im Februar zu räumen.“
16.01.2016, 17:32, http://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez—stadt/rigaer-strasse-die-letzten-besetzten-23416534
Seit Mitte Februar wird gezielt das Gerücht von der Senatsverwaltung für Inneres gestreut, dass die Rigaer 94 wegen Problemen mit dem Brandschutz geräumt werden soll.
https://linksunten.indymedia.org/de/node/169545
Das Kapitel Brandschutz ist von Seiten der Berliner CDU schon öfter aufgeschlagen worden.
„Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner sagt, er habe die bezirkliche Bauaufsicht jetzt schriftlich aufgefordert, das Camp räumen zu lassen – aus Sicherheitsgründen, zur Gefahrenabwehr. „Wenn Sie in einer Hütte aus Spanplatten und Holz leben und es brennt, dann gnade Ihnen Gott“, sagt Wansner. Am Donnerstag erwarte er das Gutachten eines vereidigten Sachverständigen, in dem die Gefahr einer Brandkatastrophe als extrem groß beschrieben werde.“
in Bezug auf das damalige Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz am 05.03.2014, http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/kreuzberg/kreuz-und-quer/fluechtlinge-am-oranienplatz-holzhuetten-bedeuten-grosse-brandgefahr/9575772.html
Ähnlich wie heute die Rigaer Straße, stand der Oranienplatz unter dauernder Belagerung der Polizei. Da kam es Kurt Wansner und der CDU wie gerufen, dass trotzdem mindestens drei bis heute ungeklärte Brandanschläge dort stattfinden konnten, am 15.02.2014 http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=671 , am 19.06.2014 http://www.morgenpost.de/berlin/article129237161/Infozelt-der-Fluechtlinge-abgebrannt-Zwei-Taeter-gesucht.html und am 31.03.2015 http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/brandstiftung-am-oranienplatz-in-kreuzberg-das-war-ein-gezielter-anschlag/11579360.html
Auch bei der Besetzung der Cuvry Brache in Kreuzberg hatte sich die CDU immer mit Warnungen vor Bränden hervor getan, bis am 20.09.2014 ein Feuer mehrere Zelte zerstörte und die BewohnerInnen nach dem Löscheinsatz von dem Areal vertrieben wurden.
„Schon lange stand die Räumung des Geländes im Raum; nun hatte sich das Problem quasi von selbst erledigt.“ http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/kreuzberg/polizei-ermittelt-nach-brand-in-berlin-kreuzberg-die-cuvrybrache-ist-leer-polizei-noch-vor-ort/10726146.html
Was wir davon halten
Einen Laden räumen zu wollen, weil dort angeblich Vermummungsutensilien verkauft werden, ist schon ein starkes Stück. Wann ist endlich Karstadt am Hermannplatz dran?
Die Behauptung, im M99 würden Bekennerschreiben gedruckt, ist eine besonders dumme Lüge. Wer schon einmal dort war, kann das bestätigen, es gibt gar keinen Drucker.
Allerdings ist es möglich, durch steigende Mieten die Autonomen aus Friedrichshain zu vertreiben. Das dabei auch alle Bezieher_innen von Hartz 4 und Geringverdiener_innen mit verschwinden werden, ist zwar nicht besonders sozial, gehört aber zu den Interessen des Landes Berlin. Für Investoren sind nämlich Chaoten und Geringverdiener_innen das Gleiche, Hindernisse auf dem Weg zu einer noch besseren Vermarktung.
Im Sommer 2011 wurden Hinweise bekannt, dass in dem Eckhaus Liebig Str. 13/ Rigaer Str. Beamten des Verfassungsschutz vorstellig geworden sind und Mietern Geld geboten haben, wenn sie dem Amt ihre Wohnung für Observationszwecke überlassen würden. Die Mieter haben das damals abgelehnt, die starke Zunahme von Ferienwohnungen in diesem Bereich dürfte das Problem für diese Behörde aber gelöst haben.
Zusätzlich gibt es andere Indizien, die für eine dauerhafte Überwachung des Gefahrengebiets durch verdeckte Videokameras sprechen.
Trotzdem gelang es Unbekannten, am 05.10.2015 den geeigneten Moment abzupassen, um in der Hofdurchfahrt zum Hinterhof der Liebig 34 ein Feuer zu entfachen, das nur als Mordversuch gewertet werden kann, https://linksunten.indymedia.org/en/node/154884 .
Die Spurensuche der Polizei war sehr bescheiden und unmotiviert, Zeugenaufrufe wie sie nach jedem Steinwurf in dieser Gegend sonst verbreitet werden, blieben aus. Das sicherlich vorhandene Videomaterial vom Dorfplatz wurde nicht verwendet, um diese Täter zu fassen.
Wir erwarten von der Polizei nichts. Wir wissen aber was es bedeutet (siehe Oranienplatz und Cuvry Brache), wenn Leute, die uns nicht eben freundlich gesonnen sind, wie der Innensenator und seine Gehilfen, von „Brandschutz“ sprechen. Besonders wenn sie vorher Feuerlöscher beschlagnahmen, die sie als „gefährliche Gegenstände“ bezeichnen.
Es ist damit durchaus im Bereich des Möglichen, dass sich im Umfeld des Innensenators Hoffnung gemacht wird, dass Problem mit der Rigaer 94 werde sich ähnlich von selbst erledigen, wie es sich mit der Cuvry Brache erledigt hat.